SMK -00- Canes vs Monarchs

Archivbild

Im Herbst 1994 stand ich ehrfürchtig am Rande eines Baseball-Platzes in Lübeck. Ich hatte eine Mannschaft, welche ich zusammen mit einem Freund gegründet hatte zu ihrem ersten Freundschaftsspiel geführt. Eine Truppe, die vor 18 Monaten keine Ahnung von Baseball, den Regeln, der Aufstellung, dem Verhalten, dem Spielrhythmus hatten, standen mehr-oder-minder gleichwertig auf dem Platz, wie die zweite Mannschaft eines Teams, welches gegen uns Jahre Vorsprung hatte. Natürlich verloren wir. Deutlich sogar (8:20…Als Fussballäquivalenz etwa ein 2:5), aber wir hatten tapfer mitgespielt, uns nicht blamiert. Auch wenn es keiner merkte, war dies einer der stolzesten Momente meines Sportlerlebens.

Kiel Baltic Hurricanes Head Coach Timo Zorn wird dieses Gefühl im Moment wohl nicht haben. Aber er sollte es. Ja, seine Mannschaft verlor das Eröffnungsspiel mit 14:42 gegen die Dresden Monarchs, und als Leistungssportler und Trainer einer GFL Mannschaft kann er dies nicht als optimalen Saisonauftakt betrachten. Aber wenn man sieht, was die Mannschaft in den letzten sechs Monaten durchstehen musste, welche personellen Veränderungen es gab, ist das erste Spiel durchaus als Erfolg zu werten, auch wenn niemand im sportlichen Umfeld der Canes dies zugestehen wird (und auch nicht sollte).

Inbesondere in der ersten Halbzeit überraschten die Canes mit einer erstaunlich soliden Leistung. Gegen den sicheren Play-Off-Anwärter aus Sachsen zeigte insbesondere die renovierte Offense von OC Marico Gregersen einiges an Potential. Ja, wir alle flippen nach dem x-ten Bubble-Screen, der nicht funktioniert, aus, aber QB Jake Purichia bekam erstaunlich oft das Go für lange Pässe. Davon wurden allerdings auch gleich zwei intercepted, was vielleicht das Playcalling in den nächsten Spielen wieder beeinflusst, aber gefallen hat es trotzdem. Das Running-Game zeigte noch Verbesserungsbedarf, doch auch hier hielt man am Spielplan fest und Fritjof Richter und Julian Ampaw bekamen ihre Carries.

Generell machte die Mannschaft einen durchdachten Eindruck, was auf Grund der Coaching Wechsel und der vielen jungen Spieler sehr positiv zu bewerten ist. Ich verfolge seit 11 Jahren die Canes „professionell“ (Gesamteinkünfte bisher: etwa 45€, kein guter Jahresverdienst). Ich kann mich nicht erinnern ein Spiel mit drei (3!) akzeptierten Strafen gegen die Hurricanes erlebt zu haben. Kein Offside, keine illegale Formation, kein Fehlstart, kein persönliches Foul. Das ist für erfahrene Teams schon eine Meisterleistung, für ein Team, welches direkt aus der Vorbereitung kommt, ist dies eine großartige Errungenschaft.

Natürlich gibt es vieles, an dem man arbeiten muss (s.u.), aber man kann trotzdem einen Schritt zurücktreten und das Spiel akzeptieren, als das, was es war: Ein Saisonauftakt, keine Standortbestimmung.

Coach Zorn wirkte nach dem Spiel so, wie man es von jemanden erwartet, der nur eines möchte: Siegen! Sein einziger Kommentar zu mir: „It’s all about the W.“ Jedes „W“ wird in dieser Saison schwerer zu erringen sein, als in den vergangen Jahren. Und man muss auch klar sagen: Sehr viele W werden es nicht werden. Aber es werden welche folgen, dem bin ich mir nach der Leistung sicher. Keiner der 2100 Zuschauer ist gestern enttäuscht nach Hause gegangen. Natürlich will man sein Team siegen sehen, aber manchmal reicht es auch zu sehen, wie die Mannschaft vor den eigenen Augen wächst. Das ist gestern passiert. Coach Zorn darf sich ruhig etwas so fühlen wie der (schlanke) Ole 1994. Aber nur etwas, im Gegensatz zu mir hat er in zwei Wochen den ersten echten Gradmesser mit den Düsseldorf Panther. Zeit für einen Sieg, Zeit für ein W.

Archivbild

Booming Punts:

42 Punkte gegen Dresden ist kein optimaler Start für die Defense von Coordinator Lars Trömel. Aber er hatte wohl auch den härtesten Job: Seine Gruppe ist im Vergleich zu den Vorjahren kaum wiederzuerkennen. Mit Felix Meintz war sogar ein U19-Spieler des Vorjahres in der Starting Lineup. Leider zeigten sich hier auch öfters die Schwächen: Kaum Druck auf den QB, die Receiver waren häufig frei und man konnte froh sein, dass Zack Greenlee auch nicht seinen besten Tag hatte und einige offenstehende Passempfänger nicht finden konnte. Trotzdem legte man mit einer Interception im ersten Spielzug der Dresdner Offense den Grundstein für die gute erste Halbzeit.

Defense wins Championships, Offense sells Tickets, Special Team wins Games. Die alte Footballer-Weisheit. Special Teams verloren diesmal sicher nicht das Spiel, waren aber kein Highlight. Ein (zum Safety) geblockter Punt, etliche kurze Punts, ein verschossenes Field-Goal (wenn auch ein sehr langer Versuch, bei dem Benedikt Englmann etwas zu sehr Bodenkontakt hatte), ein Free-Kick ins Aus. Da gibt es noch einiges zu tun. Nach dem Block übernahm Leonhard Najda das Punten von Englmann. Und zeigte sich nach dem Spiel selbstkritisch: „Ein Snap war nicht gut, aber der Rest geht auf mich. Das muss besser werden.“

Eine Sache, welche ich bei den Canes jedes Jahr aufs Neue kritisiert habe, war das Zeitmanagement. Es machte mich wahnsinnig, wenn in knappen Spielen bei einer Führung im vierten Viertel die Offense den Ball mit noch 10 Sekunden auf der Play-Clock snappte. Ich kann nicht zählen, wieviele Plays man dadurch dem Gegner schenkte. Für so ein junges Team wurde vorbildlich vorgegangen: Am Anfang drückte man deutlich aufs Tempo, doch als es klar wurde, das die Monarchs durchmarschieren würden, kamen die Snaps immer im Bereich von 1-4 Sekunden. Wieder so eine Kleinigkeit, an der man sehen kann, dass durchdacht gearbeitet wird. Man verschenkte auch „nur“ eine Auszeit, weil ein Delay-of-Game drohte. Für einen Saisonauftakt noch ok, im Laufe der Saison sollte dies gerne nicht mehr vorkommen.

 In their own words:

               QB Jake Purichia über den TD zum Ende der ersten Halbzeit:

               „ That was actually a play that was supposed to go to the other side of the field. It’s a design from one of ours plays. I looked that way and it wasn’t there, so I rolled right, saw Lukas in the back of the Endzone, kinda threw it up for him and he made a great play and a great catch. Obviously a great way to end the half.“

Quick Kicks:

–        Wetter: Genial! Wolkenloser Himmel, 14°C. Nur im Schatten doch noch sehr kühl.

–        Shout-Out to the real Heroes: Feld war perfekt hergerichtet. Ok, beim ersten Spiel ist der Rasen sicherlich noch etwas besser in Schuss als zum Ende der Saison, aber das sah schon wieder sehr schön aus. Ich mag ja das Canes-Logo an der Mittellinie.

–        Etwas lustig: Nach dem Free-Kick Out-of-Bounds wurde die Strafe von Mats Schwieger verkündet „30 Meter vom Free-Kick-Spot. Das bringt den Ball an die Mittellinie.“ Bis der Umpire diese gefunden hatte, brauchte er drei Anläufe.

–        Alle Kick-Offs wurden von den Canes von der Right-Hash-Linie durchgeführt. Vielleicht sollte man dann aber nicht noch weiter nach rechts kicken.

–        Julian Ampaw verlor bei einem Ost-West-Lauf 4 Yards. Man konnte sehen, wie er im Le’Veon Bell Style hoffte, abzuwarten, bis sich eine Lücke auftat. Leider war irgendwann die Seitenlinie da.

–        CJ Davis setzt die Tradition fort, dass die Canes kleine, wendige, schnelle Spieler importieren, die auf beiden Seiten des Balles eingesetzt werden können. Macht Spaß ihm zuzuschauen.

–        Snaps waren ein Problem: Sowohl bei Punts (s.o.) als auch in der Shotgun. Jake Purichia diplomatisch: „I think, only one or two were Off.“ Sowohl an der Genauigkeit, als auch am Speed wird sicherlich gearbeitet werden.

–        Ich hatte kurz Angst die Goalposts fallen um, als Florian Finke den PAT an den Pfosten geballert hat.

–        WR Klaas Sengstacke hat nicht nur den coolsten Namen, sondern anscheinend auch eine große Zukunft als Slot-Receiver. Aus der eigenen Jugend kommend, kannte ich ihn so gut, das ich jetzt nur noch #80 nennen werde.

–        Meintz und Sengstacke sind Geburtsjahr 1999. Ich fühle mich alt.

–        Etwas mehr Jubel, wenn die Cheerleader etwas bauen, darf schon sein!

–        Gut zu sehen, dass es KN-Legende Helmut Schwalm deutlich besser geht.

–        Erwähnte ich schon, dass mir a*schkalt war?

–        Nein, ich fotografiere nicht mehr.

Für viele tolle Bilder von Dieter Bethke schaut doch mal hier rein. Den Spielbericht der Canes findet ihr hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert